Moin!
Ich kann Dir im grossen und ganzen zustimmen, obwohl ich LaTeX mittlerweile fast ausschliesslich nutze, kann ich die Einstellung vieler Leute hier im Forum einfach nicht verstehen.
Meine Erfahrung ist, dass es lange dauert, sich in LaTeX einzuarbeiten und es nicht immer den Aufwand lohnt. Ich selbst studiere Informatik, Mathe und Geschichte und ich muss zugeben, dass LaTeX die besten Mittel bietet, um Formeln aller Art vernünftig zu setzen. Automatisches Inhaltsverzeichnis ist nett, Unterstützung für Literarturverzeichnisse ebenfalls.
Aber was mich manchmal fast zur Weissglut bringt ist die autoritäre Art mit der LaTeX einem Entscheidungen abnimmt. Als ich mit LaTeX angefangen habe, wollte ich eigentlich bei meinem bewährten Word-Layout bleiben, bei dem ich serifenlose Schriften verwendet habe. Ich habe hier nach entsprechenden Möglichkeiten gefragt und wurde "belehrt", dass serifenlose Schriften schlecht für's Schriftbild sind und ich gefälligst die Standardschriften verwenden solle. Ich stelle das jetzt vielleicht ein wenig drastisch dar, aber wenigstens erlaubt einem Word noch, rosa Text auf grünen Grund zu setzen und bevormundet den Nutzer nicht mit "professionellen" Entscheidungen.
Und es gibt noch eines, das man nicht ausser acht lassen sollte: Wenn Menschen genauso viel Zeit aufwenden sollten, um sich in Word einzuarbeiten würden sie auch Word so verstehen, dass diese ganzen Anfängerfehler, die hier gerne zitiert werden, nicht auftreten. Aber da Word eben WYSIWYG ist, sind die Nutzer eben nicht gezwungen, sich an Foren wie dieses zu wenden und dann bleiben halt die Fehler drin. Will sagen, ich habe kein Problem mit meinen Word-Dokumenten und die Fehlerquellen bei Word sind auch nicht subtiler als die von LaTeX.
Abschliessend möchte ich noch über das Argument der freien Quelltexte schmunzeln, denn das ist nun wirklich für den normalen Thesenschreiber sowas von uninteressant. Das ist doch wieder dieses Totschlagsargument "Wenn etwas komisch ist, schau in den Quelltext und ändere es". Diese Möglichkeit existiert real nur für einen sehr kleinen Bruchteil der Nutzer.
Und wer mit dem durchschnittlichen Sachverstand eines Wordnutzers anfängt, mit LaTeX zu arbeiten, bekommt doch spätestens bei der ersten Tabelle Probleme.
Und zum Spassfaktor: Klar, LaTeX macht Spass wenn man die Zeit übrig hat und sich für so etwas interessiert. Ich hab' mir selbst gerade ein kleines Package geschrieben aber ich studiere auch Informatik. Von einem - was weiss ich - Humanisten zu verlangen, er solle sich erstmal Hintergrundwissen aneignen bevor er sein erstes Dokument schreibt, ist ein bisschen zu viel des Guten. Da tut's Word auch.
So long,
Liberty
P.S.:
Um mich rum schreiben gerade einige an ihren Thesen und ich höre nur sehr selten, dass es Probleme gibt. Aber es gibt eine Funktionalität, die LaTeX fehlt: Dokumente zu kommentieren, zu markieren und gemeinsam zu bearbeiten. Also LaTeX ist auch nicht perfekt.
P.P.S.:
Vom technischen Standpunkt ist LaTeX auch ziemlich veraltet, die Syntax passt zu nichts mehr und in einer Zeit, in der XML zur Lingua Franca wird, würde es mal Zeit, auch LaTeX daran anzupassen. Ausserdem hat LaTeX nicht unebdingt das Prinzip der Trennung von Layout und Inhalt erfunden. Im grossen und ganzen wäre es mal Zeit für etwas radikal neues, dass den aktuellen Stand der Technik repräsentiert, aber ich gebe zu, dass es so etwas im Moment noch nicht gibt.
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